Symbolbild. Zwei Menschen stoßen mit braunen Bierflaschen an. Im Hintergrund ist der Sonnenuntergang zu sehen. Foto: Wil Stewart / Unsplash

Lichtgeschmack: Hat die Farbe der Bierflasche Einfluss auf Haltbarkeit und Geschmack?

Gibt es Lichtgeschmack wirklich? Eine Bierverkostung der anderen Art.

„Ich weiß, was wo drin ist. Sie nicht!“, sagt Oliver Wesseloh, Diplom-Ingenieur für Brauwesen und Biersommelier. In seiner Brauerei in Hamburg zeigt er mir, was mit Bier passiert, wenn es Licht ausgesetzt ist. „Wir fangen jetzt einfach mal an, machen Querverkostung und schauen, ob wir’s rausschmecken und riechen können.“ Er schenkt mir Bier aus zwei Flaschen der gleichen Sorte in zwei Gläser ein. Die erste Flasche stand vorher drinnen im Dunkeln, die andere draußen in der prallen Sonne. So mache ich mich auf die Suche nach dem Lichtgeschmack. Denn den gibt es tatsächlich.

Schuld ist der Schwefel

Der Lichtgeschmack ist auf eine bestimmte Schwefelverbindung zurückzuführen, das 3-Methyl-2-buten-1-thiol. Schon in sehr geringen Konzentrationen riechen und schmecken wir es heraus. Obwohl ich sehr selten Bier trinke, liege ich bei meinem ersten Tipp, welches Bier in der Sonne stand, richtig. Bei der zweiten Biersorte erkenne ich den Lichtgeschmack schon am Geruch, das Bier ohne Lichtgeschmack riecht frischer. So finde ich bei allen 12 Proben heraus, welche davon vorher in der Sonne standen. Sie riechen und schmecken intensiver, manchmal bitterer, irgendwie unangenehm.

Bier mit Stinktiergeruch

Auch in Milch und Wein kann eine Schwefelverbindung so einen Lichtgeschmack verursachen. „Mich erinnert Schwefel häufig an so ein abgebranntes Streichholz“, meint Oliver Wesseloh. „Die wenigsten werden etwas damit assoziieren können, wie der Geruch allgemein beschrieben wird. Das ist nämlich Stinktier, weil lustigerweise die Analdrüsen von den Stinktieren ein Sekret haben, das chemisch fast identisch ist.“

Die Chemie hinter dem Lichtgeschmack

Damit 3-Methyl-2-buten-1-thiol entsteht, müssen vier Dinge zusammenkommen: die Bitterstoffe aus Hopfen, eine Schwefelquelle aus dem Malz, Vitamin B2 und Licht. Aus den natürlichen Bitterstoffen entstehen beim sogenannten Würzekochen Iso-Alphasäuren. „Im Bereich von 350 bis 500 Nanometern Wellenlänge wird Riboflavin, eher noch bekannt als Vitamin B2, angeregt“, erklärt Wesseloh. „Das unterstützt eine Radikalbildung. Eine aliphatische Seitenkette von der Iso-Alphasäure wird abgespalten. Und da lagert sich dann – in einer mehrstufigen Reaktion – Schwefel mit an.“ Zusammengefasst: Eine OH-Gruppe wird durch eine SH-Gruppe ersetzt.

Braunglas schützt besser vor Lichtgeschmack als Grünglas

Stellt man Bierflaschen direkt in die Sonne, schützen Glasflaschen das Bier unterschiedlich gut: Braunglas absorbiert etwa 90% des Lichtes zwischen 350 und 500 Nanometern, Grünglas nur noch etwa 70%. Dadurch kommt es hier schneller zum Lichtgeschmack. „Eine Grünglasflasche sollte für eine halbe Stunde reichen. Eine Braunglasflasche sollte eine Dreiviertelstunde durchhalten, bis ein wirklich merklicher Effekt da ist.“ Flaschen aus Schwarzglas wären eine bessere Option als Braunglas. Doch schwarze Flaschen sind nicht mehrwegfähig sind, da man von außen nicht sehen kann, ob sie wirklich sauber sind.

Weißglas ist reines Marketing

Die Proben aus einer Weißglasflasche riechen beide nicht besonders gut, denn Weißglas hat fast keinen Schutzeffekt mehr. „Weißglas ist eine reine Marketingverpackung!“, so Wesseloh. Um Bier in Weißglas besser zu schützen, nutzen Brauereien bestimmte Beschichtungen als UV-Filter. Wenn nicht nach Reinheitsgebot gebraut wird, können Zusätze im Bier die Reaktion mit Schwefel verhindern. Früher nutzte man wegen des Lichtgeschmackes Krüge aus Steingut, die kein Licht durchlassen.

Zwei Merksätze nehme ich von Oliver Wesseloh mit nach Hause: Der Stinker ist immer der Schwefel. Und ganz wichtig: Bier gehört einfach nicht in die Sonne!

Den Radiobeitrag habe ich 2020 ursprünglich für den WDR erstellt.

Foto: Wil Stewart / Unsplash

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