Wenn Kinder Geige üben, klingt das am Anfang meistens schrecklich. Da müssen die Eltern in den ersten Jahren sehr viel Gequietsche über sich ergehen lassen. Oft liegen die Töne daneben. Das liegt unter anderem daran, dass man sich auf der Geige sich nicht etwa wie beim Klavier auf Tasten verlassen kann. Man muss die richtigen Stellen selbst suchen, an die die Finger gehören. Das ist Millimeterarbeit, für die Kinder ein gutes Gehör und jahrelange Übung brauchen. Irgendwann haben sie es im Gefühl.
Was ist der richtige Ton auf der Geige?
Bei der Tonhöhe gibt es nicht nur richtig und falsch. Das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es in der Musik mehrere Tonsysteme, die sich im Laufe der Zeit geändert haben. Früher waren die Abstände der Töne zueinander anders als heute. Und man kann Instrumente auf unterschiedliche Weisen stimmen. Das ist zum Beispiel beim Klavier und beim Cembalo der Fall.
Anpassungsfähig bei wechselnden Partnern
Für Geiger:innen bedeutet das: Je nachdem, mit wem sie spielen, müssen sie sich anders anpassen. Dabei haben sie den Vorteil, dass sie so flexibel sind. Ein Klavier oder ein Akkordeon kann sich nicht anpassen.
Außerdem gibt es schon auf der Geige selbst ein Problem: Wird das Instrument so gestimmt, dass zwei leere Saiten gut zueinander klingen – man sagt in reinen Quinten – dann passen der tiefste und der höchste Ton der Geige eigentlich schon nicht mehr zusammen. Und diese reine Stimmung passt auch zum Beispiel nicht zum Klavier.
Die Tonhöhe ist eine Wahrnehmungsgröße
Das nächste Problem: Die Tonhöhe ist keine physikalische Größe, sondern eine Wahrnehmungsgröße. Das heißt, ein Ton, der messtechnisch perfekt ist, also die richtige Frequenz hat, kann sich für unsere Ohren falsch anhören. Ein sehr hoher Ton klingt zum Beispiel sauberer, wenn er eigentlich etwas zu hoch ist. Deshalb muss man auf der Geige auch hier gegebenenfalls etwas nachkorrigieren, damit es gut klingt.
Wie unterscheiden sich Geige spielende Menschen?
Niemand spielt Geige genau wie ein anderer. Mit der Tonhöhe fängt es an. Weiter geht es mit dem Vibrato, das den Musizierenden eine persönliche Note gibt. Auch hierdurch lässt sich die Tonhöhe leicht ändern.
Die meisten Musikinstrumente schwingen in unterschiedlichen Frequenzen, die wir als Grundton und Obertöne wahrnehmen. Die Klangfarbe eines Instrumentes hängt besonders von den Obertönen ab. Jeder Geiger und jede Geigerin entlockt dem Instrument durch die eigene Spieltechnik unterschiedlich viel davon. Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig, dass Geiger:innen mehr Einfluss auf den Klang haben als das Instrument. Ein Ton wird nie genau gleich klingen, wenn verschiedene Menschen ihn spielen.
Dieser Text entstand 2010 in etwas anderer Fassung zunächst für den WDR.
Foto: Angelika Rusche-Göllnitz